Mehr als nur Fassade: Dezentrale Stromerzeugung in der Vertikalen durch Pflanzen und Photovoltaik

So kann dezentrale Stromerzeugung in der Vertikalen aussehen.
So kann dezentrale Stromerzeugung in der Vertikalen aussehen.
Donnerstag, 19. Mai 2022

Die auch in Mitteleuropa bereits spürbaren Klimaveränderungen erfordern neue Konzepte in der Architektur. Zukunftsweisende Ansätze liegen in der Integration von Grün- und Photovoltaikflächen. Architekt Prof. Dr.-Ing. Roland Krippner im Gespräch.

Bei einer Photovoltaik-Anlage denken viele wahrscheinlich erstmal an ein großes Feld mit Solarzellen oder an kleinere auf dem Dach. Warum könnte auch eine vertikale Anbringung von Vorteil sein?

Wenn man von der gebäudeintegrierten Solartechnik spricht, ist prinzipiell die Anordnung von den Paneelen auf dem Dach ertragreicher, weil sie im Regelfall besser exponiert sind. Durch eine Reihe von Untersuchungen hat man aber herausgefunden, dass Dächer als Fläche nicht immer ausreichen, wenn wir den Anteil der erneuerbaren Energien erhöhen möchten. Das heißt hier brauchen wir auch die Fassaden. Die Schauseite der Gebäude kann außerdem eine Chance sein, die Transformation der Gebäude vom Energieverbraucher hin zum Energiesammler sichtbar zu machen.

Wie bringt man Pflanzen und Photovoltaik zusammen?

In meiner Lehre und den Forschungsaktivitäten spielt Gebäudetechnologie und insbesondere die Fassade eine große Rolle. Da hatten wir uns bereits viel mit Energie- und auch mit Grünfassaden beschäftigt. Beides ist hochaktuell: dezentrale, erneuerbare Energieversorgung und natürlich das Thema Klimawandel, insbesondere in den Städten. Es gibt einen großen Bedarf an beiden Fassadensystemen. Daraus entsteht manchmal eine Art Flächenkonkurrenz. Da stellt sich die Frage: Photovoltaik oder Begrünung – oder von beidem ein bisschen was? Die Überlegung ist, ob nicht vielleicht aus Kombinationen Synergie-Effekte entstehen können, weil die Photovoltaik-Module bei hohen Temperaturen doch Ertragseinbußen aufweisen. Wäre die Umgebungstemperatur niedriger, könnten die Erträge womöglich steigen.

Welche Pflanzen eignen sich besonders gut für die vertikale Begrünung einer Anlage?

Man muss im Bereich der Fassaden zwei Grundstrategien unterscheiden: bodengebundene und wandgebundene Begrünung. Die bodengebundenen, z.B. Efeu und wilder Wein, wachsen aus dem Erdreich in der Vertikalen nach oben. Hier ist man bei der Pflanzenwahl eher eingeschränkt, denn man hat nur eine bestimmte Fläche zur Verfügung und kann die Pflanzen nicht so einfach miteinander kombinieren. Bei wandgebundenen Systemen wächst die Pflanze in der Vertikalen horizontal aus dem Vegetationsträger und man hat höhere Freiheitsgrade, weil auf der Fassadenfläche mehr Anordnungsmöglichkeiten bestehen. Wenn die Standortbedingungen beachtet werden, haben die Pflanzen mit dem entsprechenden Substrat und einer guten Bewässerung auch alles, was sie brauchen. Hier ist die Vielfalt schon sehr groß und man kann so auch Blütenteppiche an den Fassaden erzeugen.

Daneben gibt es zur Langen Nacht der Wissenschaft bei Ihnen noch einiges mehr zu erfahren ...

Neben unserem Projekt „GreenPV – Grünfassaden und Photovoltaik. Zu Potenzialen aktueller Fassadenlösungen zur Klimaanpassung und Klimaneutralität“ wollen wir mit einem Mix aus Ausstellungen und Kurzvorträgen an dem Abend zu verschieden Aspekten der genannten Themen berichten. Uns geht es auch darum, dass bei den Themen Energie- und Ressourcenwende,  – sofern sie etwas mit Häusern, Städten und Quartieren zu tun haben  – die Baukultur und Gestaltung nicht zu kurz kommen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das geht, wenn sich Stadtplaner und Architekten mit Fachplanern zusammensetzen. Auch mit Begrünung und/oder Solartechnik kann man energieeffiziente und schöne Häuser bauen.

 

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